Der Seminarkurs zum Thema Medien in der Oberstufe

Der Seminarkurs „Medien“

Seit ca. 1999 unterrichte ich, mit einzelnen Unterbrechungen und teilweise in team teaching mit Kollegen, Seminarkurse mit dem Thema Medien, seit 2004 am Graf-Zeppelin-Gymnasium Friedrichshafen. Diese Kurse dauern ein Schuljahr. Sie werden mit einer Prüfung abgeschlossen. Seminarkurse sind nicht an bestimmte Schulfächer angebunden, so dass die Lehrerin oder der Lehrer kein vorgegebenes Curriculum abarbeiten kann. Der folgende Bericht über den Seminarkurs Medien soll die medienpädagogischen Standards aufzeigen, an denen sich der Unterricht orientierte und orientiert.
Um den organisatorischen Rahmen verständlich zu machen, wird im Folgenden zunächst erläutert, was ein Seminarkurs ist.

Was ist ein Seminarkurs?

Seminarkurse werden in der Obestufe der Gymnasien Baden-Württembergs im vorletzten Jahr vor dem Abitur angeboten; seit in Baden-Württemberg das 8-jährige Gymnasium eingeführt wurde, ist das die Klasse 11. Die Teilnahme an Seminarkursen ist freiwillig, d.h. die Schülerinnen und Schüler wählen diese Kurse, die 3 Schulstunden umfassen, zusätzlich zu ihren Pflichtkursen. Die Themen werden von den Lehrkräften ausgewählt und vorgeschlagen. Das bedeutet, dass ein bestimmter Seminarkurs nur dann zustande kommt, wenn eine Mindestzahl an Schülern ihn gewählt hat. Vorgegeben ist, dass die Schülerinnen und Schüler eine Dokumentation verfassen und dass sie am Ende in einem Kolloquium mündlich geprüft werden, wobei diese Prüfung ihnen einen klaren Vorteil bringt, da sie die mündliche Prüfung im Rahmen des (ein Jahr später abzulegenden) Abiturs ersetzen kann. Das pädagogische Ziel dieser Arbeitsform wird auf der Website des Kultusministeriums Baden-Württemberg folgendermaßen zusammengefasst:

Hauptziel dieses Angebotes ist die Förderung von Methoden- und Sozialkompetenz, vor allem aber des selbstständigen Lernens.

Am Ende des Schuljahres steht die Abgabe der Jahresarbeit und die mündliche Prüfung.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Diese Ausführungen stellen keine rechtliche Auskunft dar; die rechtlichen Grundlagen werden bei Landesrecht BW Bürgerservice ausgeführt. Eine Einführung ins Abitur und eine Erläuterung der Seminarkurse bietet der Leitfaden für die gymnasiale Oberstufe Abitur 2018.

Die Arbeitsformen im Seminarkurs Medien

Zu Beginn des Schuljahrs, d.h. im September, konzentrieren sich die Schülerinnen und Schüler zunächst auf die Teilnahme am Schülerwettbewerb zur politischen Bildung, der vom Landtag Baden-Württemberg ausgelobt und von der Landeszentrale für politische Bildung veranstaltet wird; die Arbeiten müssen Anfang/Mitte September eingereicht werden. Hier werden erste Erfahrungen mit dem Abfassen längerer Texte gesammelt.

Der Unterricht findet nur zum Teil in der Schule statt, fast immer im Computerraum und kaum einmal im herkömmlichen Rahmen mit Tafel und Unterrichtsgespräch. Im Zentrum stehen vielmehr Exkursionen in die reale Welt der Medien – das ist durchaus kein Paradox, denn die Schülerinnen und Schüler erkunden verschiedene Arbeitsfelder, in denen Medien gestaltet und vertrieben werden. Im Einzelnen werden an folgenden Orten Gespräche geführt:

  • die Buchläden vor Ort; hier befragen die Schülerinnen und Schüler die Buchhändlerinnen und Buchhändler z.B. über den Konflikt zwischen stationärem und Online-Buchhhandel.
  • Ein Besuch im Medienhaus am See, der Stadtbücherei der Stadt Friedrichshafen, wird nicht als traditionelle Führung organisiert, sondern es wurde mit dem Medienhaus ein neues Konzept entwickelt: Die Bibliothekarinnen leiten die Lernenden zu einer aktiven Recherchearbeit an, in deren Verlauf die verschiedenen Medienangebote des Medienhauses erprobt werden. Ein Thema ist hierbei Migration.
  • Gespräche mit den Lokalzeitungen führen in die journalistische Arbeit ein.
  • Ein Highlight ist immer das Gespräch mit Experten der Abteilung IT Security der Firma ZF Friedrichshafen AG (www.zf.com), in dem die Schülerinnen und Schüler aus erster Hand erfahren, mit welchen Problemen der IT Securitiy sich ein global agierender Konzern wie die ZF konfrontiert sieht.

Höhepunkt des Schuljahres ist immer die Exkursion in die Landeshauptstadt Stuttgart, wo wir mit Abgeordneten des Landtags über deren Vorstellungen und Erfahrungen im Zusammenhang mit deren Medienarbeit sprechen. In der Staatsgalerie hat sich in den letzten Jahren eine Führung durch deren vorzügliche Sammlung der Arbeiten von Josef Beuys bewährt, weil die Schülerinnen und Schüler sich hier mit der Interpretation von Alltagsmaterialien als künstlerische Medien vertraut machen können. Im Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart (www.hlrs.de) lernen sie einen der schnellsten Rechner der Welt kennen und erfahren, wie die Rechenpower in Simulationen umgesetzt wird, die den Ansprüchen der Wissenschaft und der industriellen Forschung genügt. Weitere Anlaufstellen waren eine Werbeagentur und der Südwestdeutsche Rundfunk.

Der Kommunikation zwischen Lehrkraft und Schülern dient die Lernplattform Moodle; wir verwenden seit einigen Jahren das Hosting beim Landesbildungsserver Baden-Württemberg. Zu Unrecht, wie ich meine, ist Moodle bei einigen Lehrkräften unbeliebt. Zwar ist die Bedienung nicht intuitiv, aber Moodle bietet nicht nur eine komfortable Form der Speicherung und Übermittlung von Dateien und Hyperlinks, sondern auch einige Möglichkeiten der Gestaltung von Medienprodukten. Gerne nutze ich immer wieder die Arbeitsform des Wikis.

Das medienpädagogische Konzept

Das medienpädagogische Konzept des Seminarkurses Medien entwickelte und verfeinerte sich im Laufe der Jahre. Der materiale Medienbegriff, den ich in verschiedenen Schriften vertrete (siehe hier die Übersicht zum Medienthema auf dieser Website), bewährte sich auch für die Unterrichtsarbeit. Es erwies sich als nötig, den Lernenden einen klaren Medienbegriff anzubieten, an dem sie sich orientieren konnten, den sie aber auch erweitern oder ablehnen konnten. Das Leitschema:

Unter Medien verstehen wir Objekte, die Informationen übermitteln oder speichern.

zeigte seinen unterrichtspraktischen Nutzen darin, dass es eine klare Unterscheidung zwischen Objekten erlaubt, die Medien sind, und solchen, die es nicht sind. Damit es nicht zu einem schalen Dogma gerinnt, ist es unerlässlich, auch gegenläufige Beobachtungen zu ermöglichen. So zeigen die oben erwähnten Arbeiten von Josef Beuys (der als ein Beispiel für die Kunst der Gegenwart eingeführt wird), dass es auf den Beobachter ankommen kann, der sich dafür entscheidet, ein Objekt zu einem Medium zu erklären.

Wichtig war auch, dass die Schülerinnen und Schüler bei der Auswahl der Themen ihrer Jahresarbeiten und damit auch des Kolloquiums ihren Neigungen und Interessen folgen können. Viele haben ihr Lieblingsmedium erkundet, z.B. beim Thema Computerspiel oder bei der Filmanalyse.

Berichte auf der Schulhomepage des Graf-Zeppelin-Gymnasiums (GZG) und in Lokalzeitungen